Gedenken in Riemsloh
Besser spät als nie: Zur Aufstellung eines Gedenksteines und einer kleinen Feierstunde versammelten sich 60 Menschen – ganz in der Nähe des Ortes, wo Joseph Grzeskowiak von NSDAP-Anhängern grausam ermordet wurde.
„Du bist sehr lange von uns schmerzhaft vermisst worden“, richtete sich Enkel Gerrit Dummann im Namen seiner Familie in seiner Ansprache direkt an seinen genau vor 71 Jahren am 28. April hingerichteten Großvater.
Der Enkel des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters dankte seiner in Melle lebenden Großmutter Hilde Dummann für ihren großen Mut, nach so langer Zeit über die grausamen Geschehnisse zu berichten: Auf dem Döhrener Hof Dodt arbeitete Joseph 1941 zusammen mit der Großmagd Hilde. Aus der Arbeitsbeziehung entwickelte sich eine Liebesbeziehung, die zur Schwangerschaft führte. Joseph wurde damals von Riemsloher Nazi-Schergen der „Rassenschande“ bezichtigt, was alsbald zum Todesurteil führte.
In Gesprächen mit Hilde Dummann und mit umfangreichen weiteren Recherchen arbeitete Herbert Bäumer einen großen Teil der damaligen Ereignisse auf und veröffentlichte sie. Unter anderem hat der Heimathistoriker herausgefunden, dass zur auf grausame Art und Weise öffentlich inszenierten Hinrichtung an einem Eichenast an der Westhoyeler Straße 500 Polen angekarrt wurden, die dem menschenverachtenden Geschehen zur Abschreckung zusehen mussten.
Schlimme nachhaltige Folgen hatte das Geschehene auch für Hilde und den am 6. April 1942 geborenen Sohn Günter. In der Familie konnte angesichts der großen inneren Belastung 70 Jahre nicht über die Ereignisse gesprochen werden. „Bis vor zehn Monaten kannten weder ich und mein Vater Günter noch meine Großmutter Hilde den vollständigen Namen von Joseph Grzeskowiak“, berichtete Gerrit Dummann am Rande der Veranstaltung. „Erst jetzt hat der Sohn einen Vater und der Enkel einen Großvater“, erklärte Herbert Bäumer in seinem Vortrag. Auch Kinder aus der späteren Ehe von Hilde Dummann, Enkel und weitere Mitglieder der Familie waren zur Aufstellung Gedenksteines gekommen.
„Mit dem Stein und der Inschrift will der Ortsrat Riemsloh einen kleinen Beitrag gegen das Vergessen leisten“, begrüßte Riemslohs Ortsbürgermeister Günter Oberschmidt die Gäste der Gedenkfeier. Von einem „beeindruckenden und bewegenden Moment“ sprach André Berghegger. Solche Gesten seien eine Aufforderung zur Erinnerung und ein Zeichen an die Opfer, dass sie zu uns gehören. Melles hauptamtlicher Bürgermeister wies darauf hin, dass es sich bei den Verbrechen der NS-Zeit eben nicht um anonymes Geschehen handelte, sondern auch um ganz konkrete Unmenschlichkeiten wie in Melle oder Riemsloh.
In seinem Hauptvortrag verschwieg Herbert Bäumer nicht, dass es im „braunen Nest“ Döhren fanatische Nazis gab, die mit großer Energie Verstöße gegen die Reinhaltung des deutschen Blutes aufspüren und anzeigen wollten. Der promovierte Historiker: „Die Hinrichtung wurde von großen Teilen der Bevölkerung gutgeheißen, so traurig das ist.“ Erst vor neun Monaten sei zufällig eine alte Karteikarte der Gestapo Osnabrück aufgetaucht, die darauf hindeute, dass eine mögliche Eindeutschung Grzeskowiaks verworfen wurde. So wurde der 27-Jährige einfach aufgeknüpft und nach Berichten von Zeitzeugen möglicherweise direkt im Wald verbuddelt.
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Die Schrifttafel auf dem Stein hat folgenden Wortlaut:
In Gedenken an Joseph Grzeskowiak
geboren 8. 2. 1915 in Dzialyn / Polen, grausam hingerichet am 28. 4. 1942 in einem Waldstück an der Westhoyeler Straße durch die Nationalsozialisten und deren Anhänger.
Gegen das Vergessen der unzähligen Verbrechen und Morde des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland von 1933 bis 1945.
Riemsloh, 28. 4. 2013
Quelle: Meller Kreisblatt, 28.04.2013,